Einleitung

Einleitung#

Das vorliegende Skript begleitet die Veranstaltung Diskretisierung und numerische Optimierung im Sommersemster 2025 an der FAU Erlangen-Nürnberg. Das Skript basiert hauptsächlich auf einem Vorlesungsskript, welches ich im Sommersemester 2019 gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Burger (Universität Hamburg) in einer ersten Version erstellt habe und in den darauffolgenden Jahren weiter angepasst und verbessert habe.

In dieser Vorlesung werden wir einige weiterführende Aspekte der numerischen Mathematik diskutieren, nämlich numerische Verfahren zur Lösung von Optimierungsproblemen und von (gewöhnlichen) Differentialgleichungen. Im ersten Teil der Vorlesung beschäftigen wir uns mit Optimierungsproblemen, welche in vielen mathematischen Anwendungsbereichen auftreten, von klassischen ökonomischen Problemen über Materialoptimierung bis hin zu modernen Problemen in der mathematischen Bildverarbeitung und im maschinellen Lernen. Hierbei konzentrieren wir uns zunächst auf unbeschränkte Minimierungsprobleme der Form

\[\min_{x \in \Omega} F(x),\]

wobei \(F\) eine gegebene, zu minimierende Funktion ist und \(\Omega \subset \R^n\) eine geeignete Menge von möglichen Eingabevektoren. Methodisch knüpfen wir im Teil zur Optimierung an die iterativen Methoden zur Lösung von Gleichungssystemen an, allerdings kommen hier noch einige Aspekte dazu: Mit einem Optimierungsproblem im Hintergrund können wir die Iterationsverfahren geeignet anpassen um tatsächlich mit jeder Iteration die Werte einer gegebenen Funktion zu verkleinern. Darüber hinaus werden wir geeignete Wahlen der Schrittweite der Iterationsverfahren kennenzulernen, um die Konvergenz gegen Minimierer oder zumindest stationäre Punkte gewährleisten zu können. Ein weiterer Aspekt ist die Optimierung unter Nebenbedingung und die Minimierung konvexer nicht-differenzierbarer Probleme, die in vielen modernen Anwendungen auftreten. Dazu werden wir exemplarisch ein spezielles Verfahren kennenlernen.  
 
Der zweite Teil der Vorlesung beschäftigt sich mit Lösungen von gewöhnlichen Differentialgleichungen. Wir beginnen mit einfachen Anfangswertproblemen der Form

\[u'(t) \ = \ F(t,u(t)), \qquad u(0) \, = \, u_0,\]

für eine unbekannte Funktion \(u \colon [0, T] \rightarrow \R^m\) und die nur für spezielle Formen von \(F \colon \R^{m} \times [0,T] \rightarrow \R^m\) analytisch gelöst werden können. In einer Vielzahl von Anwendungen treten jedoch allgemeinere Funktionen \(F\) auf, für die eine analytische Lösung nicht mehr möglich ist, wie zum Beispiel bei den Newtonschen Gesetzen für die Dynamik von mehr als \(N > 2\) Teilchen (siehe das \(N\)-Körper-Problem [Wika]). Die entstehenden Gleichungssysteme können dann auch beliebig groß werden, z.B. in der Molekulardynamik, wo \(u(t)\) die räumlichen Koordinaten \(k\in\N\) verschiedener Teilchen im Zeitverlauf beschreibt und man somit Gleichungssysteme der Größe \(n=3k\) erhält. Andere klassische Anwendungsgebiete gewöhnlicher Differentialgleichungen sind die Modellierung von Populationsdynamiken oder auch von Aktienmärkten, wo meist noch eine zufällige Komponente hinzugefügt wird und man somit stochastische Differentialgleichungen erhält. Für solche Anwendungen lassen sich im Allgemeinen nur Lösungen mittels numerischer Verfahren approximieren, die wir in dieser Vorlesung herleiten wollen.

Die numerischen Verfahren zur Lösung von Anfangswertproblemen lassen sich unterschiedlich gestalten. Sie sind einerseits ähnlich zu bereits bekannten Iterationsverfahren, nämlich dann wenn die Ableitung durch Differenzenquotienten auf einem Gitter approximiert wird. Andererseits lässt sich ein Bezug zur numerischen Integration herstellen, wenn man die äquivalente Formulierung als Volterra-Integralgleichung

\[u(t) \ = \ u_0 + \int_0^t F(s,u(s))\, \mathrm{d}s\]

benutzt und anschließend numerische Quadraturformeln auf das Integral anwendet. Ein wichtiger Aspekt ist in beiden Fällen die Diskretisierung, d.h. wir approximieren das Problem in einem endlich-dimensionalen Lösungsraum, z.B. durch Werte auf einem Gitter. Mathematisch stellt sich dann natürlich die Frage ob und in welchem Sinne das diskretisierte Problem gegen das ursprüngliche Problem konvergiert.

Weiterhin werden wir auch Randwertprobleme betrachten, die in späteren Vorlesungen zu partiellen Differentialgleichungen führen werden. Ein einfaches Beispiel ist die numerische Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung der Form

\[- (a(x) u'(x))' + c(x) u(x) \ = \ f(x), \quad x \in (0,1),\]

mit vorgegebenen Randwerten \(u(0)=u(1)=0\). Hier müssen wir die Diskretisierung für das gesamte Intervall \((0,1)\) auf einmal durchführen und nicht von einem Schritt zum Nächsten wie bei den oben beschriebenen Anfangswertproblemen. Diese Diskretisierung liefert uns ein lineares Gleichungssystem, das wir anschließend mit bekannten Methoden der Numerik lösen müssen. Die Abschätzung des Diskretisierungsfehlers erfordert weiterführende Methoden, welche wir im Laufe der Vorlesung kennenlernen werden.

Sollten Ihnen beim Studium dieses Skripts inhaltliche oder sprachliche Fehler auffallen, so würde ich mich über einen Hinweis per Email an daniel.tenbrinck@fau.de freuen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und viel Spaß in der Vorlesung!

Prof. Dr. Daniel Tenbrinck Erlangen, 22.04.2025